Hagen Rudolph

Gedichte

Leseproben

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die reise

gestern früh
noch dort
heute hier
erwacht
und die reise
scheint
ein traum
der letzten nacht

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Regen im Mai

Die Bäume
Tropfen noch

Frisch gewaschen
Ihr junges Grün

Samtiger Blütenduft
Im stillen Garten

Am Abend
Nach dem Regen …

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Frau mit Hut

Hab vor dem örtlichen Supermarkt
Zum Einkauf kurz mein Gefährt geparkt
Und während ich zur Pfandrückgabe
Die Wasserkiste schnell verlade
Rauscht eine Frau mit Hut vorbei
Zunächst ist es mir einerlei
Doch werd ich bald zu spüren kriegen:
Man kann verliern, ohne zu siegen.

Vor mir steht jene Frau mit Hut
Ihr Wagen voll mit leerem Gut
Und sie entnimmt den Riesentaschen
Gefühlte hundertneunzig Flaschen
Schiebt sie in diesen Sensor-Schacht
Der öfter mal Probleme macht –
Das alles dauert richtig lange
Und hinter mir wächst eine Schlange.

Die letzte Flasche ist verschluckt
Vom Schacht, der Bon auch ausgedruckt
Die Frau mit Hut wendet sich um
Erblickt die Schlange, lächelt stumm
Und flötet fröhlich, fast versonnen
"Da ist wohl grad ein Bus gekommen…"
Dann schiebt sie ab und nach dem Mann
Bin ich als übernächster dran.

Flugs ist entsorgt die eine Kiste
Nun steht auf meiner Einkaufsliste
Dass dringend Briefmarken ich brauch
Die gibt es in dem Laden auch
Zum Postschalter steure ich hin
Habe nichts Schlimmeres im Sinn
Doch plötzlich sinkt mein kecker Mut
Denn ihn blockiert die Frau mit Hut.

Ihr Anliegen währt eine Weile
Die nächste Kundin scheint in Eile
Sie murrt und macht sich dann vom Acker
Dagegen halte ich mich wacker
Es dauert zwar geraume Zeit
Doch irgendwann ist es so weit
Die Frau mit Hut kann weiter gehen
Und ich zehn Briefmarken erstehen.

Jetzt sind die Lebensmittel dran
Ich hab nicht viel auf meinem Plan
Nur zwei Artikel such ich eben
Um mich zur Kasse zu begeben
Oh nein! Ich bin erneut geschlagen!
Vor mir ein voller Einkaufswagen
Ihn lenkt die Frau mit Hut – na klar
Wohin ich geh – sie ist schon da…

Aus: Sonnenstrahl

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Geschenk

Deine Hand auf meiner Wange
Weil ich heute traurig bin
Auf mir deine lieben Augen
Und mein Herz, es schmilzt dahin.

Voller Trost ist die Berührung
Deine Nähe tut so gut
Und du gibst mit deinem Lächeln
Wieder neuen Lebensmut…

Dein Kopf lehnt an meiner Schulter
Weil Probleme dich bedrücken
Liebling, ach, ich halte dich und
Streichle zärtlich deinen Rücken.

Streiche über deine Haare
Fühle Liebe in mir wallen
Freud und Leid zu teilen ist das
Kostbarste Geschenk von allen…

Aus: Lied des Windes

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Stern

Der eine Stern dort oben bist du
Du schaust mir schimmernd beim Leben zu
Du leuchtest hell und wärmend in mir
Nach Jahren, so erfüllend mit dir.

Irgendwann kann ich zu dir gehen
Dann wird dort ein Doppelstern stehen…

Aus: Wasser

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Durch die Wüste

Auf der langen
Und einsamen
Wanderung
Durch die Wüste
Traf ich dich.

Und die Wüste
Grünte unter
Unsren Füßen
Und verlor sich
Am Horizont…

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Gedankenzyklen

Gedankenknospen
Jung und zart
Brechen hervor.

Gedankenblüten
Farbenfroh
Entfalten sich.

Gedankenfrüchte
Ausgereift
Bieten sich an.

Gedankensamen
Ausgesät
Keimen ganz leis…

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Die Eule

Die Eule schaut mich traurig an
Weil sie nicht aus dem Käfig kann
Frei würde sie gern sein und fliegen
Gar manche Maus im Kampf besiegen
Das sagt ihr Herz – doch in dem Knast
Sitzt sie auf einem trocknen Ast
Kann sich vor Menschen nicht verstecken
Kann Wald und Wiesen nicht entdecken
Weiß kaum, was alles sie nicht kann
Die Eule schaut mich traurig an…


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Idyll

Hier am Dorfrand – welch Idyll
Ist es manchmal richtig still.
Dann klingt wieder mal ein Ton
Sehr nach Zivilisation.

In den Rosen
seh ich Bienen
Doch ich
höre Landmaschinen
Und die beiden Eichelhäher
Übertönt ein Rasenmäher.

Sind die Halme kurz und fein
Fällt dem nächsten Nachbarn ein
Dass auch er so ein Gerät
Hat, welches im Schuppen steht.

Denn ihn plagen schwere Ängste
Dass sein Rasen nun der längste.
Doch das lässt sich leicht beheben
Und so mäht auch er mal eben.

Und ich les zum zwölften Mal
Diese Seite – welche Qual.
Bei dem Höllenlärm ringsum
Fühle ich mich ziemlich dumm.

Endlich hat er seine Sache
Fertig – nun kommt meine Rache.
Und ich schmeiß den Motor an
Zeig den andern, was ich kann.

Später schließen Frieden wir
An der Straße – es gibt Bier.
Oh, man könnt' genussvoll trinken
Würd's hier nicht nach Gülle stinken.

Außerdem liegt in der Luft
Edler Grillanzünderduft.
Vor der roten Abendsonne
Brummt ein Flugzeug voller Wonne…

Aus: Sonnenstrahl

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Ich will

Wenn mein Herz pocht "Ja, ich will"
Und die Seele lächelt still
Und mein Kopf denkt "Ich will auch"
Und genauso fühlt mein Bauch –
Und ich schau in dein Gesicht
Aus dem so viel Liebe spricht –
Bin ich freudig für dich da
Sage tief empfunden "Ja"…

Aus: Wasser

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Telefon

Mein Blick wandert zum Telefon
Du blödes Ding, nun klingle schon
Ich möchte wissen, wie es steht
Weil es um meine Zukunft geht.

Den Morgen über nix begonnen
Der Vormittag ist fast verronnen
Ich kann mich gar nicht konzentrieren
Er soll mich endlich informieren!

Ich müsste langsam etwas kochen
Der Anruf war für heut versprochen
Um mitzuteilen, wie's gelaufen
Doch nichts – es ist zum Haare raufen.

Wie kann der Kerl mich bloß vergessen?
Wird wohl genüsslich Mittag essen
Hat die Prioritäten jetzt
Ganz offensichtlich falsch gesetzt.

Was glaubt der Mensch, wie ich mich fühle
Während ich mein Geschirr wegspüle
Nicht weil es nötig wäre – nein
Sondern um abgelenkt zu sein.

Denn ich sitz wie auf heißen Kohlen
Schau nach dem Apparat verstohlen
So etwa alle zehn Sekunden
Und dies seit sechsdreiviertel Stunden.

Ich seufze tief und atme schwer
Das Telefon klingelt nie mehr
So fürchte ich – diese Tortour
Bringt mich ins Grab – schon siebzehn Uhr.

In Zeitlupe der Tag verstreicht
Dieweil kein Anruf mich erreicht
Ich schmore quasi in der Hölle
Was wird aus jener Arbeitsstelle?

Der Abendbrottisch ist gedeckt
Als mich ein Klingeln jäh erschreckt
Oh… ich versuche, cool zu bleiben
Mein Schicksal wird sich nun entscheiden!

Er sagt: "Es gibt da ein paar Fragen.
Könnten Sie in den nächsten Tagen
Um Einzelheiten abzuklären
Mich nochmals im Büro beehren?"

Aus: Wasser

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Lied des Windes

Langsam weht er über Land
Lässt die Wolken ruhig ziehen
Singt ganz leise in den Weiden
Die sich sanft im Rhythmus wiegen.

Kräuselt leicht den nahen Weiher
Licht springt heiter auf den Wellen
Durch die warme Brise summen
Prachtvoll schillernde Libellen.

Fächelt über Weizenfelder
Ähren, die bedächtig schwingen
Leuchten golden in der Sonne
Sind erfüllt von zarten Stimmen.

Streicht durch deine weichen Haare
Wie mit unsichtbaren Fingern
Hebt hervor, wie hübsch du bist
Wenn sie sacht im Windhauch schimmern…

Aus: Lied des Windes

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Abendwolken

Flammend sammelt die Sonne
Ihr Licht ein
Für heute
Ein letztes Lodern
Am fast bedeckten Himmel.

Hellorange brennen
Die Wolken von unten
Dann glühend rot
Welches verglimmt
Zu dämmrigem Graublau.

Aschefarben schließlich
Ziehen sie
In den Abend
Werden eins mit
Der sternenlosen Nacht…

Aus: Knospen

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Mai-Impressionen

Herrliches, frisches Grün nach endlosem Winter
Entfaltet lichtdurchschienen sich ringsumher
Kirschbaumblüte schwebt über farbigen Tupfen
Atme tief ein – genieße das Blumenmeer.

Vielstimmig schallt der Vögel fröhliches Singen
Luftiges Säuseln mischt sich mit Windspielklang
Häuser verstecken sich in prächtigen Gärten
Lange ersehnt – Frühling ist endlich im Land…

Aus: Wasser

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Akelei

Farbenpracht am Gartenrand
Leuchtend bunte Akelei
Welche Gabe der Natur
Offenbart sich hier im Mai…

Von der Anmut ganz verzaubert
Hab ich dich bewundert heut
Doch schon fallen viele Blüten
Sprechen von Vergänglichkeit…

Aus: Knospen

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Tropfen

Meine Sehnsucht ist ein Tropfen
Wasser in dem weiten Meer
Den die Sonne lässt verdunsten
Den der Wind treibt vor sich her.

Und er steigt hinauf zum Himmel
Schwebt und schaut dabei nach unten
Trifft unzählig viele Tropfen
So viel Sehnsucht ist da drunten.

Und sie alle bilden eine
Wolke die landeinwärts weht
Und dann hat mein Sehnsuchtstropfen
Endlich jemanden erspäht.

Und er lässt sich ganz schnell fallen
Du denkst wohl, dass es jetzt regnet
Merkst gar nicht, dass dir soeben
Meine Sehnsucht ist begegnet.

Sanft berührt sie deine Haare
Streichelt über dein Gesicht
Küsst ganz zärtlich deine Lippen
Freut sich, dass sie bei dir ist.

Nun will sie dich zu mir führen
Heimlich deinen Weg bereiten
Plötzlich spür ich Regentropfen
Über meine Wangen gleiten...

Aus: Lied des Windes

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Vollmond

Ich sehe, wie der Vollmond steigt
Den Himmel dominiert und schweigt
Aus seinem freundlichen Gesicht
Verströmt er silberfarb'nes Licht
Erhellt bescheiden und ganz sacht
Die ohne ihn sehr dunkle Nacht
Schimmert auf Wiesen und auf Bäumen
Begleitet mich bei meinen Träumen
Und ist in frühen Morgenstunden
Lautlos vom Firmament verschwunden
Obwohl nicht sichtbar ist er weiter
Mir ein verlässlicher Begleiter
Gern mag ich seinen hellen Schein
Fühle mich dann nicht so allein...

Aus: Knospen

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Sterne

Sterne der eisigen
Winternacht
Spiegeln sich
Im stillen Fluss.

Träumender Bäume
Filigrane Muster
Zieren das flimmernde
Firmament.

Durchs Geäst
Schimmert silbern
Die sinkende
Mondsichel.

Alles schläft
Nur unsre Schritte
Knirschen im
Verzauberten Schnee…

Aus: Wasser

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Jahresringe

Wie der Baum die
Jahresringe
Tragen unsere
Seelen Spuren.

Hell und weich
Für gute Phasen
Sommerwärme
Leichtes Leben.

Schmal und fest
Für karge Zeiten
Prüfungen und
Schmerz und Leid.

Bei der richtigen
Balance sind
Wir flexibel
Und stabil.

Können manchen
Sturm ertragen
Und dabei wir
Selber bleiben.

Nun schau auf
Die Maserungen
Jedes Holz ein
Unikat.

Stammt es auch
Vom selben Baum
Keines ist
Dem andern gleich.

Du bist einzig
Auf der Welt
Hast die eigene
Geschichte.

Und die vielen
Jahresringe
Deiner Seele
Zeigen dies.

Wem die Maserung
Gefällt, der kann
Dich ein Stück
Begleiten.

Mögen Menschen
Die dir wichtig
Dich so schätzen
Wie du bist…

Aus: Sonnenstrahl

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Der unsterbliche Yogi

Ein ungläubiger Schüler fragte
Den Babaji – von dem man sagte
Er sei unsterblich wie ein Geist –
Recht misstrauisch, was das wohl heißt.

Der Yogi sprach: "In diesem Leben
Wirst du zwar nach Erfüllung streben
Gleichwohl wird deine Seele gehen
Ohne göttliches Licht zu sehen.

Erleuchtung nämlich findet nur
Wer glaubt – ohne des Zweifels Spur
Denn Wissenschaft kann nicht erklären
Die Existenz höherer Sphären.

Hingegen hat des Schöpfers Macht
Schon vor Äonen es vollbracht
Naturgesetze zu erdenken –
Das Universum uns zu schenken.

Tatsächlich kann Gedankenstärke
Verrichten unfassbare Werke
Materie, gleich welcher Art
Ist Energie, jedoch erstarrt.

Ein Meister kann beim Meditieren
Stoffliche Massen transformieren
In Energie, die sie enthalten
Und nach Belieben sie gestalten.

Des Eingeweihten festes Wollen
Lässt Körper machen, was sie sollen
Lässt sie entstehen und verschwinden
Lässt Raum und Zeit sie überwinden.

Der Tod bedeutet dann nichts mehr –
Ihn zu bezwingen fällt nicht schwer."
Er lächelte, hob eine Hand
Wurde durchsichtig und entschwand…

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Klang

Die Welt ist voll
Von Lärm und Krach
So schrill und laut
Und aggressiv.

Und doch gedeiht
In dem Getös
Ganz unscheinbar
Manch feiner Klang.

Er webt und wächst
Wird groß und schön
Erreicht mein Herz
Bewegt mich tief.

Ob Lied, ob Ton
Er rührt mich an
Die Blüte reift
Entfaltet sich.

Ob Melodie
Ob Instrument
Was es auch ist
Es lindert Schmerz.

Es tröstet mich
Und gibt mir Kraft
Setzt Tränen frei
Begleitet mich.

Ich kenne
Heilende Musik
Die Licht in dunkle
Tage bringt.

Die meiner Seele
Nahrung gibt
Und die sie glücklich
Schwingen lässt.

Solch Klänge
Findet man nicht oft –
So klingt die Harmonie
Mit dir…


Aus: Lied des Windes

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Meine Bilder

Meine Bilder
Sollen
Gut tun
Leuchten
Einfach sein
Friedlich wirken
Ruhe ausstrahlen
Schönheit einfangen
Die Schöpfung ehren
Und die Welt zeigen
Wie sie die Seele
Berührt…